Anreise und der erste Tag – Donnerstag, 27.04.2023

Anreise und der erste Tag – Donnerstag, 27.04.2023

Wie die Tage zuvor, war ich mega aufgeregt. Ich brauchte keinen Wecker und war früh genug wach geworden. Der Rucksack stand gepackt im Wohnzimmer, die Anziehsachen für den ersten Tag lagen bereit.

Gegen 04.30 Uhr machte ich mich auf den Weg nach Vaihingen/Enz. Die gesamte Strecke gingen mir Gedanken wie „Was machst Du hier eigentlich“ durch den Kopf. Umzudrehen und noch vor dem Start aufzugeben, war aber niemals eine Option.

In Vaihingen angekommen stellte ich mein Auto wie von Geisterhand gelenkt im Parkhaus ab. Bis zu diesem Zeitpunkt sagte mir eine innere Stimme „los, bezwing den Carmino“

Der Zug war pünktlich. Wie ferngesteuert stieg ich ein, setzte mich hin und dachte über viele Dinge nach. Dinge von gestern, von letzter Woche, letzten Monat, letztem Jahr und sogar Dinge aus der Zeit von vor über 40 Jahren, die ich auf dem Camino lassen wollte. Ich merkte wie mir einzelne Tränchen über die Wangen kullerten, hatte mir doch vorgenommen, zu mir zu finden, zu vergessen, zu bearbeiten, meinen Weg zu gehen. Jetzt saß ich im Zug und wusste nicht, was mich erwarten würde.

Der ganze verdammte Camino stand wie ein unüberwindbares Bergmassiv vor mir, aber ich wusste, dass ich ihn bezwingen kann.

Frankfurt Flughafen, nun war ich dort, von wo mich der Flieger zu der „grössten“ Reise meines Lebens bringen sollte. Ich war früh genug dort, hatte mich darauf eingestellt, dass ich ggf. meinen Rucksack nicht als Handgepäck mitnehmen könne. Für diesen Fall hatte ich eine Rolle Frischhaltefolie eingepackt, um den Rucksack für den Fließbandtransport zu präparierten.

Wie sich herausstellte, war die Sorge unberechtigt. Ohne Probleme konnte ich den Rucksack mit in den Lufthansaflieger nehmen.

2,5 Stunden Flug und die mächtige Ungeduld im Nacken, endlich starten zu dürfen. Hoffentlich hatte ich Sitznachbarn, mit denen ich meine Zeit durch „schnacken“ verkürzen könne. Leider war dem nicht so, oder besser gesagt nur halbherzig Abhilfe verschaffen worden.

Wie sich herausstellte, war der ältere bayrische Herr neben mir, mit seiner Frau auf dem Weg nach Porto. Viel erzählte er nicht, nur, dass er mal einen „organisierten“ Camino gelaufen war.

Da war ich nun in Porto , Portugal, angekommen. Ein Land, eine Stadt, welches, welche mir nur vom Fußball her bekannt war. „Und nun?“ So waren meine ersten Gedanken. Ich wusste gar nichts von dem, was mich erwarten sollte.

Aus der einen oder anderen Facebookgruppe wusste ich, dass der Bus 133 in Porto runter zum Strand fahren sollte, von wo ich starten wollte. Also besorgte ich mir entsprechendes Ticket, und selbstverständlich dazu den ersten Stempel in meinem Pilgerpass.

Ich stellte mich dort hin, wo der Bus halten sollte. Es verging 1 Stunde, es vergingen 2 Stunden, es vergingen 3 Stunden aber kein Bus kam. Je länger ich wartete, desto mehr kamen mir die Gedanken, umzudrehen und alles abzublasen. Auf einen solchen „Mist“ war ich nicht vorbereitet. Wie sich herausstellte, scheinen die lokalen Busse recht unzuverlässig zu sein. In der Touristinformation frug ich nach Alternativen. Es war mittlerweile 15.30 Uhr und eigentlich war meine erste Etappe 25 km lang, also heute nicht mehr zu schaffen. Mir wurde geraten, mit der Metro Richtung Norden zu fahren, um später starten zu können. Gesagt , getan. In der Metro lernte ich 2 liebe Mädels aus der Tschechischen Republik kennen, Martina und Veronika. Sie hatten ihre ganze Reise auf dem Camino durchgeplant, sie hatten nur 9 Tage Zeit um bis Santiago zu kommen. Ich frug sie, ob ich mich bei ihnen „ranhängen“ könne. Sie waren einverstanden also fuhren wir nach Pova de Varzim, ich übersprang so meine erste Etappe. Eigentlich war das gar nicht mein Vorhaben, aber „erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt“. Meine erstes Pilgerhostel sollte „Sardines and friends“ sein, also meine erste Erfahrung auf dem Jakobsweg.

In meinen Zimmer war eine Italienerin und eine Japanerin untergebracht. Beide sehr nett. Die Japanerin war bereits seit März auf dem spanischen Carmino unterwegs, die, Italienerin seit Porto.

Unser Zimmer war das „Piraten-Zimmer“

Im 2. Stock. Schlicht und einfach mit 3 Stockbetten eingerichtet.

So hatte ich mir die Pilgerunterkünfte vorgestellt , cool! Alle Gedanken vom Aufgeben oder Umkehren waren wie weggeblasen. Es kamen Gedanken auf wie „Jetzt erst recht! Ich werde diesen verdammten camino bezwingen“ Für 13 Euro pro Nacht nahm ich auch ein schlichtes Bad mit entsprechend schlichter Toilette in kauf. Alles so wie ich es aus Hape Kerkelings Buch kannte.

Das erste Nachtlager auf dem Camino, die erste Herberge und Tränen in den Augen, einen Traum nun wahr werden zu lassen. So stand ich in diesem „Piraten Zimmer“, verstaute meine Sachen und zog mit Veronika und Martina erst einmal los, runter zum Strand. Da war er , der Ozean, der mich mehrere Tage an meiner linken Seite begleiten sollte. Am Strand war reges Treiben, die Sonne schien und irgendwie registrierten die Anwohner mit portugisischer Freundlichkeit, dass wir pilgrims, also Pilger waren.

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